Publifarum n° 18 - Lingua e Diritto. La Lingua della Legge, la Legge nella Lingua

Regelverstöße und ihre Ahndung in den Gesetzen der Langobarden. Überlegungen zur rechtlichen Stellung der Frau in der langobardischen Gesellschaft

Claudia HÄNDL



Abstract

Tedesco  | Inglese 

Ausgangspunkt meiner Untersuchung ist die rechtliche Stellung der Frau in der langobardischen Gesellschaft, wie sie aus den schriftlich überlieferten Normen erschlossen werden kann. Die langobardischen Gesetze enthalten bekanntlich nicht nur Normen, welche die Rechte und Pflichten der Frau und ihres Vormunds regeln, sondern auch solche, die auf den Anspruch der Frau auf besonderen Schutz aufgrund der gesellschaftlichen und rechtlichen Differenz zwischen den Geschlechtern zielen. Im Mittelpunkt meiner Studie steht die Gewalt gegen Frauen innerhalb und außerhalb der Sippe und ihre Ahndung in den langobardischen Gesetzen.

Vorbemerkung

Im Falle des germanischen, zunächst mündlich tradierten Gewohnheitsrechts darf davon ausgegangen werden, dass eine Anpassung von Rechtsnormen an veränderte gesellschaftliche Strukturen in kleinen Schritten und sukzessive erfolgte, auf der Basis mündlicher Gerichtsverhandlungen, in denen das tradierte Rechtswissen auf einen bestimmten Einzelfall oder auch auf eine vorher unbekannten Situation angewendet werden muss. Diese für mündliche Traditionen nachvollziehbare Elastizität und Anpassungsfähigkeit rechtlicher Normen ist nicht mehr ohne weiteres vorauszusetzen in dem Moment, in dem die Rechtsnormen schriftlich aufgezeichnet werden: auch bei den frühesten uns erhaltenen germanischen Rechtstexten handelt es sich immer schon um das Ergebnis kultureller Mischungen, die sich aus der Verbindung germanischer Rechtsgewohnheiten und lateinischer Schrifttradition ergeben (vgl. DILCHER 2008b: 231).

Die Quellen des langobardischen Rechts haben im Bereich der Volksrechte eine einmalig klare Dokumentation schon von der ersten Aufzeichnung im Edikt König Rotharis vom Jahre 643 an. Die spätere Gesetzgebung, vor allem die Gesetze König Luitprands, beruht oft auf Entscheidungen fraglicher Einzelfälle und setzt sich dabei regelmäßig mit der Anwendung älterer Normen auseinander. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine gewisse Kontrolle bei der Analyse des Verhältnisses der schriftlich überlieferten Gesetzesregelungen zur sozialen Realität und erlaubt vorsichtige Rückschlüsse auf Kenntnis und Verwendung der Gesetzestexte in der Praxis.

Zentraler Rechtsbegriff in Bezug auf die Stellung der germanischen Frau im Frühmittelalter ist der Begriff der Munt. Es gilt als gesichert, dass diesem Rechtsinstitut, das die Gesellschaftsstruktur und die rechtliche Situation der germanischen Frau im Mittelalter prägt, die Vorstellung einer Kongruenz von Waffenfähigkeit und Rechtsfähigkeit zugrunde liegt: Wer sich mit der Waffe verteidigen konnte, der konnte sich auch vor Gericht verteidigen (vgl. KRAH 2002: 6) – oder, wie es Holthöfer ex negativo ausgedrückt hat: „die Frau war also, weil nicht wehrfähig, auch nicht prozessfähig, und aus demselben Grunde erschien auch eine privatrechtliche Handlungsfähigkeit der Frau als nicht vorstellbar“ (HOLTHÖFER 1997: 408) .1

In den langobardischen Gesetzen ist der Rechtsbegriff der Munt breit belegt, und zwar in der latinisierten Form mundius/mundium.2 Daneben ist das Kompositum mundoald mit einer Reihe von Nachweisen belegt, allerdings nicht im Edikt Rotharis, sondern nur in den späteren Gesetzestexten, in denen es dasselbe bedeutet wie “qui mundium eius potestatem habet”, also den Vormund bezeichnet.3 Des Weiteren kommt in späteren Rechtstexten die Form mundiata vor, ein substantiviertes Partizip Präteriti zu einem aufgrund dieser Form erschlossenen Verb *mundiare mit der Bedeutung “in seine Munt bringen”, das eine weibliche Person bezeichnet, die unter der Munt eines anderen steht,4 ein Rechtsbegriff, der im Edikt Rotharis und in Luitprands Gesetzen noch mit der Lokution qui/quae in alterus mundium est umschrieben ist.

Die Tragweite des Rechtsinstituts der Munt wird insbesondere am Beispiel des berühmten Artikels 204 im Edikt Rotharis augenfällig, in dem festgelegt wird, dass es keiner freien Frau im Reich erlaubt sein soll, ohne einen Geschlechtsvormund zu leben und eigenständig ihre Rechtsgeschäfte zu führen:

Edictum Rothari 204:

Nulli mulieri liberae sub regni nostri ditionem legis langobardorum uiuentem liceat in sui potestatem arbitrium (id est selpmundia) uiuere, nisi semper sub potestatem uirorum aut certe regis debeat permanere; nec aliquid de res mobiles aut inmobiles sine uoluntate illius, in cuius mundium fuerit, habeat potestatem donandi aut alienandi.5

Explizit wird mit der Rechtsnorm folgender sozialer Sonderfall geregelt: Wenn für eine Frau kein Rechtsvormund in ihrer Familie mehr vorhanden ist, dann geht die Vormundschaft auf den Königshof über und der König und nicht mehr die Sippe ist nun verantwortlich für den Schutz der Frau. Die vom Königshof ausgeübte Munt, als Ersatz für die Munt des Sippenverbands, wird als Regulativ funktionalisiert, um eine Gesetzeslücke zu schließen, die sich durch das Fehlen eines Vormunds innerhalb der Familie aufgetan hat. Interessant ist hier der in den lateinischen Text eingefügte langobardische Terminus selpmundia, ein Kompositum, das man mit „selbst-mündig“ übersetzen könnte, also als frei von der Munt eines anderen. Adelheid Krah gibt in diesem Zusammenhang zu erwägen, dass eine schriftlich fixierte Norm, die der Frau ausdrücklich Selbständigkeit, insbesondere was die Geschäftsfähigkeit betrifft, abspricht, auch eine gegenteilige gesellschaftliche Situation widerspiegeln könnte (KRAH 2002: 9); ich selbst möchte vorsichtiger argumentieren und nur an eine von Frauen eventuell genutzte Lücke in den hergebrachten Normen denken, die nun gesetzlich geregelt werden soll. Ursprünglich darf man also von einer gewohnheitsrechtlichen Geschlechtsvormundschaft ausgehen, die ausschließlich durch männliche Angehörige innerhalb der Sippenverbände institutionalisiert war; in dem Moment, in dem der Fall eintrat, dass kein waffenfähiger männlicher Angehörige im Sippenverband als Vormund zur Verfügung stand, konnte eine Frau sich als „selbst-mündig“ betrachten – der volkssprachliche juristische terminus tecnicus weist auf eine entsprechende gesellschaftliche Realität hin, die nun durch eine schriftlich fixierte Norm geregelt werden soll.6

Dieses Rechtsinstitut der Geschlechtsvormundschaft hat bekanntlich zwei Seiten. Wenn die Frau, wie oben angeführt wurde, aufgrund archaischer Gesellschaftsstrukturen wegen ihrer mangelnden Waffenfähigkeit in ihrer Geschäftsfähigkeit eingeschränkt erscheint, da sie ihre Interessen nicht ‚handgreiflich‘ verteidigen kann, so bedarf sie in der Gesellschaft auch eines besonderen Schutzes. Und tatsächlich gilt als notwendiger Ausgleich dieser Abhängigkeit von einem männlichen Vormund aufgrund der geschlechterspezifischen Rollenverteilung die Verpflichtung zum Schutz der Frau, abgeleitet von der allgemeinen Verpflichtung der waffenfähigen Männer, die nicht-waffenfähigen Mitglieder der Gesellschaft zu beschützen. Der Schutzgedanke ist also wichtiger Bestandteil der Munt und der Vormund ist zur Rechtsvertretung und Wahrung der Rechte der Frau im öffentlichen und privaten Leben verpflichtet.7 Ein weiterer wichtiger Aspekt, der vor allem die langobardischen Gesetze charakterisiert, ist der besondere Schutz der Frau durch den Gesetzgeber durch spezifische Bußen, die nur bei der Ahndung von Regelverstößen gegen Frauen Anwendung finden, beziehungsweise durch die unterschiedlich bemessene Höhe einer Bußzahlung je nachdem, ob ein Delikt sich gegen einen Mann oder gegen eine Frau richtet.

Ausgehend von diesen Vorüberlegungen möchte ich im Folgenden auf der Quellengrundlage der uns überlieferten langobardischen Rechtstexte auf einige Besonderheiten betreffs der rechtlichen Stellung der Frau in der langobardischen Gesellschaft eingehen. Im Mittelpunkt meiner Analyse steht die Ahndung von Regelverstößen, die Gewalt gegen Frauen innerhalb und außerhalb der Sippe bedingen, wobei ich zwischen zwei Kategorien unterscheiden möchte:

Am Rande möchte ich außerdem auf die Rechtssituation von Frauen eingehen, die Gewalt gegen Männer ausüben. Nicht behandelt wird hingegen Gewalt von Frauen untereinander und ihre Ahndung: solche Handlungen, die es in der Realität zweifellos gegeben hat, finden keinen Niederschlag in den Gesetzen der Langobarden, ganz offensichtlich aus dem Grund, dass an solchen Fällen, sofern sie nicht durch allgemeine, geschlechterunspezifische Normen geregelt werden konnten, kein öffentliches Interesse bestand (vgl. BALZARETTI 1998).

Regelverstöße von Männern – Gewalt gegen Frauen

Die zentrale Bedeutung der Munt und die besondere Schutzbedürftigkeit der Frau, oder anders gesagt, der Anspruch der Frau auf besonderen Schutz aufgrund der gesellschaftlichen und rechtlichen Differenz zwischen den Geschlechtern, wird an zahlreichen Bestimmungen deutlich, die in die langobardischen Gesetze eingeflossen sind, von denen ich im Zusammenhang meiner Themenstellung einige aussagekräftige Beispiele herausgreifen möchte.

Zentral sind in diesem Zusammenhang gegen die Frau gerichtete Sexualstraftaten und ihre Ahndung. So wird in Kapitel 186 in Rotharis Edikt „De violentia“ der Fall geregelt, in dem ein Mann eine freie Frau vergewaltigt und gegen ihren Willen zur Frau nimmt:

Edictum Rothari 186:

De uiolentia. Si uir mulieri uiolentias fecerit, et inuitam tullerit uxorem, sit culpabilis sold. nongentos, medietatem regi et medietatem parentibus mulieris: et si parentes non habuerit, ipsi nongenti solidi ad curtem regis exegantur. Et mulier ipsa licentiam habeat cum omnes res suas proprias, quae ei lege perteneunt, elegendum, qui mundium eius in potestatem debeat habere, uult ad patrem si habuerit, uult ad fratrem, uult ad barbanem, uult ad manum regia, in ipsius mulieris sit potestatem, ubi sibi ipsa elegerit.

Ein Mann, der einer Frau Gewalt antut (d.h. zum Geschlechtsverkehr zwingt), um sie so gegen ihren Willen zur Frau zu nehmen, muss 900 Schillinge, also die volle Höhe der für eine gegenüber einer Frau begangene iniuria vorgesehenen Bußzahlung, für diesen Regelverstoß entrichten.8 Diese Bußzahlung geht nun nicht etwa an die geschädigte Frau, sondern zur Hälfte an ihre Verwandten (und das heißt in der Regel an diejenigen, die zur Tatzeit die Muntgewalt über die Frau hatten), und zur Hälfte an den König. Hat die Frau keine Verwandten, geht das Bußgeld in voller Höhe an den Königshof. Allerdings wird der Frau zugestanden, selbst zu entscheiden, ob sie sich mit all ihrem Eigengut, das ihr von Rechts wegen zusteht, in die Muntgewalt ihres Vaters (sofern dieser noch lebt) oder Bruders oder Onkels väterlicherseits oder aber des Königs begeben will. Meines Erachtens impliziert die Option, sich einen Rechtsvormund unter den männlichen Verwandten auszusuchen oder sich freiwillig in die Muntgewalt des Königs zu begeben, eine mögliche Reaktion demjenigen gegenüber, der zur Zeit der Gewalttat die Muntgewalt über die Frau innehatte und so seine Verpflichtung zum Schutz der Frau – wenn auch wohl unwillentlich – verletzt hat.

Kapitel 187 behandelt eine analoge Situation, doch mit dem wichtigen Unterschied, dass nicht ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Mann gegen den Willen der Frau (invitam) durch die Vergewaltigung die Eheschließung erreichen will. Durch die Auslassung dieses Elements ist impliziert, dass die Frau trotz der ihr angetanen Gewalt letztlich in eine Heirat einwilligt.

Edictum Rothari 187:

De uiolentias mulieris libere. Se quis uiolento nomine tullerit uxorem, conponat, ut supra, et postea mundium eius faciat. Nam si contegerit casus, ut antequam mundium eius faciat, mortua fuerit, res eius parentibus reddantur: et ille uir, qui eam uiolento ordine tulerit uxorem, conponat eam mortua; tamquam si uirum de similem sanguinem, id est fratrem eius occidisset, ita adpretietur et parentibus pro mortua conponere cogatur, aut cui mundius de ea pertenuerit.

In diesem Fall hat der Täter die gleiche Bußleistung für die der Frau angetanen Gewalt zu erbringen, woraufhin er die Muntgewalt über die Frau erwerben soll. Sollte die Frau vor dieser Transaktion sterben, steht ihr Besitz ihren Verwandten zu und derjenige, der der Frau Gewalt angetan hat, muss an die Verwandten der Frau oder an ihren Vormund eine Kompensation in Höhe des Wergelds eines männlichen Blutsverwandten der Frau, z.B. eines Bruders, leisten.9

Interessant ist nun eine spätere Verfügung Luitprands, die auf diese beiden Rechtssituationen Bezug nimmt. Im Kapitel 31 von Luitprands Gesetzessammlung wird festgehalten, dass eine solche Anwendung von Gewalt gegen eine (freie) Frau wie bei Rothari vorgesehen zu ahnden ist. Aber während die Höhe des von Rothari festgesetzten Bußgelds bestätigt wird, wird der Teil der Norm, der sich auf die Aufteilung des Bußgeldes bezieht, zugunsten der geschädigten Frau modifiziert: eine Frau, die nicht unter der Muntgewalt des Vaters oder Bruders steht, hat Anrecht auf 300 Schillinge der Bußzahlung, während dem Vormund 150 Schillinge für die Mühe, das Bußgeld einzutreiben, zusteht. Der König bekommt weiterhin die Hälfte der Gesamtsumme. Sind Vater oder Bruder Rechtsvormund der Frau, so können sie nach Belieben den nicht dem König zustehenden Teil der Buße zwischen sich und der geschädigten Frau aufteilen; in diesem Fall hat die Frau allerdings keinen Rechtsanspruch auf eine geldwertige Kompensation. Meines Erachtens ist es durchaus möglich, dass Luitprand mit dieser Verfügung gerade die Frauen besser stellen wollte, die nicht unter dem Schutz eines nahen Blutsverwandten standen, von dem man ausging, dass ihm das Wohl der Tochter oder Schwester in jedem Fall am Herzen lag: ohne Aussicht auf den vollen Anteil an der Kompensationszahlung war es ‚lohnender‘ für einen Vormund, seine Pflichten gegenüber der Schutzbefohlenen wahrzunehmen, um sie später gegebenenfalls ‚unversehrt‘ in eine traditionelle Muntehe einzubringen, als sie durch mangelnden Schutz und unzureichende Aufsicht einer gewaltsamen Entführung auszusetzen.

Im Folgenden sollen Fälle diskutiert werden, in denen ein Ehemann Gewalt gegen seine Ehefrau anwendet.

Wenn es im Extremfall zur ungerechtfertigten Tötung einer Ehefrau kommt (Rothari Kapitel 200), zahlt der Mörder ein Bußgeld von 1200 Schillingen, zur Hälfte an die Verwandten der Frau, von denen er die Muntgewalt erworben hatte, zur Hälfte an den König. Hat der Mörder Söhne mit der ermordeten Ehefrau, so erhalten diese die Morgengabe und das Vatergut der verstorbenen Mutter, andernfalls gehen diese Güter an die Verwandten der Frau oder, falls sie keine Verwandten mehr hat, zusammen mit dem gesamten Bußgeld an den König. Der Gesetzgeber sorgt also dafür, dass der Täter sich auf keinen Fall durch seine Tat bereichern kann.

Ansonsten wird die Tat eines Gattinnenmörders genauso geahndet wie die absichtliche Tötung einer beliebigen freien Frau, eine Ehefrau genießt also keinen besonderen, durch den Ehestand bedingten Schutz: wie aus Kapitel 201 von Rotharis Edikt hervorgeht, zahlt auch derjenige, der eine freie Frau oder ein freies Mädchen mutwillig tötet, 1200 Schillinge Buße, die zur Hälfte den Verwandten der Frau oder ihrem Vormund und zur Hälfte dem König zusteht. Wie weiter unten gezeigt werden soll, ist in diesem Fall der Unterschied zwischen den Geschlechtern eklatant: eine Gattenmörderin büßt ihre Tat nämlich mit dem Leben.

Von freien Männern verübte Vergewaltigungen werden grundsätzlich nur mit Bußgeldern geahndet, und zwar je nach Standeszugehörigkeit des Opfers. Wie bereits oben ausgeführt wurde, beträgt das Bußgeld bei diesen Sexualdelikten bei freien Frauen 900 Schillinge (vgl. Rothari 186 und 187). Wer hingegen eine fremde Aldin, das heißt die frei geborene Tochter einer Freigelassenen, vergewaltigt, büßt mit 40 Schillingen (vgl. Rothari 205), während die Buße im Falle einer Freigelassenen oder einer Magd 20 Schillinge beträgt (vgl. Rothari 206 und 207). Wer dem Entführer einer Aldin oder Magd Zuflucht gewährt und sich ihrem Herrn oder ihren Verwandten, die ihre Herausgabe fordern, entgegenstellt, wird mit einer Buße belegt, deren Höhe der für eine Vergewaltigung vorgesehenen Kompensationszahlung entspricht (vgl. Rothari 208-210).

Aufschlussreich für die Stellung der unfreien Frau in der langobardischen Gesellschaft ist Rothari Kapitel 334, wo regelt wird, wie die Misshandlung einer [fremden] schwangeren Magd geahndet wird.

Edictum Rothari 334:

De ancilla praegnante. Si quis percusserit ancilla grauida et auortum fecerit, conponat solidos tres. Si autem ex ipsa percussura mortua fuerit, conponat eam, simul et quod in utero eius mortuum est.

Wird durch die Misshandlung eine Fehlgeburt verursacht, zahlt der Missetäter eine Kompensationszahlung von drei Schillingen, stirbt die Magd, so zahlt er Wergeld für die Magd und für das ungeborene Kind. Diese Bestimmung findet sich im Anschluss an zwei Normen, die sich mit der Misshandlung von trächtigen Nutztieren auseinandersetzen: Rothari 332 handelt von der Misshandlung einer trächtigen Kuh, Rothari 333 von der Misshandlung einer trächtigen Stute. Das ungeborene Kind der Magd wird dabei mit dem dreifachen Wert eines ungeborenen Fohlens angesetzt. Es geht hier eindeutig um Gewalt gegen eine Frau, die allerdings nicht wie eine Gewalttat geahndet wird, sondern bei der wie bei einer Sachbeschädigung verfahren wird. Anders verhält es sich mit der Verursachung einer Fehlgeburt durch – unbeabsichtigte – Gewaltanwendung bei einer freien Frau:

Edictum Rothari 75:

De infante, si in utero matris occisus fuerit. Si infans in utero matris suae nolendo occisus fuerit ab aliquem: si ipsa mulier libera est et euaserit, adpraetietur ut libera secundum nobilitatem suam, et medietatem, quod ipsa ualuerit, infans ipse conponatur. […]

Auffallend ist hier schon die Verwendung einer anderen Formulierung für den Vorgang (s.a. VON OLBERG 1990: 229 f.); betont wird ferner, dass es sich um eine unbeabsichtigte Auslösung einer Fehlgeburt handelt, während im Fall der Magd nicht zwischen absichtlich und unabsichtlich differenziert wird. Der Unterschied wird vollends deutlich durch die Höhe der Kompensationszahlung, die selbst bei einer Angehörigen der untersten Freienschicht mit 75 Schillingen noch das 25fache der in Kapitel 334 festgesetzten Buße von drei Schillingen vorsieht.10

In einem anderen Sonderfall wird die Gewalt gegen eine freie Frau so geahndet, als wäre sie einem Mann widerfahren. Rothari bestimmt im Kapitel 378 seines Gesetzbuches, dass die Verletzung oder Tötung einer Frau, die sich in eine handgreifliche Auseinandersetzung zwischen Männern einmischt, so geahndet wird, als wäre die Gewalttat ihrem Bruder widerfahren, das heißt nach Stand und sogenannter Gliedertaxe. Es wird ausdrücklich betont, dass die übliche Kompensation von 900 Schillingen für das Delikt der iniuria, also für eine unehrenhafte Behandlung der Frau, nicht eingeklagt werden kann, da die Frau sich selbst in diese missliche Lage gebracht habe und es unehrenhaft für eine Frau sei, sich in tätliche Streithändel zwischen Männern einzumischen:

Rothari Kapitel 378:

[…] nam alia culpa pro iniurua sua, unde nongenti solidi iudicantur, non requiratur, eo quod ipsa ad litem cocurrit, quod inhonestum est mulieribus facere.

Die Frau verwirkt durch ihre Mitschuld also den besonderen Schutz, den Frauen in anderen Fällen durch die Geschlechterdifferenz genießen (vgl. GUERRA MEDICI 1986: 135). Diesen besonderen Schutz möchte ich hier im Folgenden am Beispiel des Delikts der wegworin, der sogenannten ‚Wegwehr‘, erläutern, einer Rechtssituation, bei der deutlich wird, dass der Gesetzgeber bestimmte Regelverstöße unterschiedlich bewertet je nachdem, ob der Geschädigte ein Mann oder eine Frau ist. In der Tat wird dieses Delikt unterschiedlich geahndet, wenn ein Mann nicht einem anderen Mann, sondern einer freien Frau den Weg versperrt, d. h. mit Gewalt am Fortsetzen des Wegs hindert. Ich stimme hier mit KRAH 2002 überein, die überzeugend aufgezeigt hat, dass in diesem Fall der Zusammenhang von Geschlechterdifferenz, der standesspezifischen Waffen- und Wehrunfähigkeit der Frauen und einer geschlechtsspezifischen Individualschutzgesetzgebung als notwendiges gesellschaftliches Regulativ besonders eindeutig zu erkennen ist (KRAH 2002: 11-13).

Edictum Rothari 26-28:

26. De uueguuorin,id est hor-bitariam. Si quis mulieri libere aut puellae in uia se anteposuerit, aut aliqua iniuria intulerit, noningentos solidos conponat, medietatem regi, et medietatem cui ipsa iniuria inlata fuerit aut mundius de ea pertenuerit.

27. Si quis homini libero uiam antesteterit, uiginti solidos ei conponat, sic tamen ut aliquam lesionem in carnem ipsius non faciat; nam si fecirit, et uiginti solidos pro eo quod antestetit conponat, et plagas aut feritas si ficerit, sicut subter in hoc edictum adnexum est conponat.

28. Si quis seruum alienum aut ancillam seu haldium aut libertum uiam antesteterit, uiginti solidos domino eius conponat.

Wenn ein Mann einer freien Frau in den Weg tritt und sie [mit Gewalt] daran hindert, ihren Weg fortzusetzen oder sie auf andere Weise bei einem solchen Zusammentreffen in ihrer Ehre kränkt, wird die Zahlung eines um ein Vielfaches höheren Bußgelds fällig als wenn dieses Unrecht einem Mann widerfährt. Da offensichtlich davon ausgegangen werden kann, dass sich ein waffenfähiger Mann im Fall eines solchen Eingriffs in seine Bewegungsfreiheit wehren kann, ist in der Rechtsnorm nur eine geringe Bußzahlung von 20 Schillingen angesetzt. Kommt es dabei zu Gewaltanwendung in Form von Handgreiflichkeiten und Körperverletzungen, so soll der Rechtsfrieden entsprechend den üblichen Zahlungen nach der in Rotharis Edikt festgesetzten Gliedertaxe des Kompositionensystems wiederhergestellt werden. Diese Art der Belästigung, wenn sie zu keinen Verletzungen führt, ist zwischen Männern also ein geringfügiges Vergehen, bei dem überdies die Standesgrenzen zwischen frei (Artikel 27) und unfrei (Artikel 28) außer Acht gelassen werden. Denn das Delikt der ‚Wegwehr‘ ist unter Männern grundsätzlich mit 20 Schillingen zu büßen, auch wenn der Leidtragende ein unfreier Mann ist. Bei gleicher Belästigung einer freien Frau hingegen, die mit Gewalt an der Fortsetzung ihres Wegs gehindert wird, wird die Summe von 900 Schillingen als Bußzahlung für diesen Regelverstoß fällig. Krah weist darauf hin, dass diese Rechtsnorm ganz offensichtlich den Charakter einer Generalprävention hatte, weil der König als Gesetzgeber – an den die Hälfte der Bußzahlung gehen soll – die Sicherheit der freien Frauen außerhalb von Haus und Hof garantiert wissen wollte; sie legt überzeugend dar, dass der Grund der stark differierenden Entschädigung bei gleichem Delikt in der unterschiedlichen, geschlechterspezifischen Bewertung des Deliktes liegt, insofern „Wegwehr“ nur gegenüber der Frau als iniuria, als unehrenhafte Behandlung, als erhebliche Kränkung der Person aufgefasst werde, nicht aber gegenüber dem Mann (siehe KRAH 2002: 32 f.).

Diese Rechtsvorschrift in Rotharis Edikt zum Schutz der Frauen außerhalb von Haus und Hof wird später von König Liutprand verändert, um den Rechtsfrieden zu wahren, wenn es berechtigte Gründe gab, einer Frau den Weg zu versperren. Noch in Rotharis Edikt wird etwa im 29. Kapitel für den Fall, dass eine Frau, um den Weg abzukürzen, sich anschickt, die sprießenden Saaten eines Feldes zu zertreten, festgesetzt, dass der Eigentümer des Feldes nicht im Sinne der ‚Wegwehr‘ zu belangen sei, da er die Früchte seiner Arbeit schütze.

Edictum Rothari 29:

Si quis messem suam aut pratum seu qualibet clausura uindicanda homini prohibuerit, id est antesteterit ut non ingrediatur, non sit culpabiles sicut ille qui hominem sempleciter uiam ambolantem antesteterit, eo quod laborem suum uindicauit.

Liutprand ergänzt nun diese Bestimmung, indem er verfügt, dass der Geschädigte von einer Frau, die seine spießende Saat zertrampelt, nur ein Pfand fordern dürfe, um daraufhin Schadensersatz – in Höhe von sechs Schillingen – von ihren Verwandten oder ihrem Vormund einfordern zu können. Hindert er die Frauhingegen an der Fortführung ihres Wegs oder schafft er sie gar mit Gewalt in seine Behausung, dann muss er eine Buße von 100 Schillingen leisten, je zur Hälfte an die Geschädigte bzw. ihren Vormund und an den Königshof, wobei die Schadensforderung von sechs Schillingen auf die Buße angerechnet wird.

Luitprand 146:

Si quis inuenerit libera mulierem aut puellam per campum suum seminatum ambolantem et uiam indicantem, pignerit eam, et parentes aut mundoald eius conponant pro ipsa solidos sex sicut lex est; nam se ipsa conprehendere presumpserit et ad casam suam legatam aut submanicatam duxerit, conponat solidos centum, medietatem regi et medietatem cuius causa est; sic tamen ut conpositio illa de sex solidis in ipsa conpositione conputetur. […]

Grundsätzlich soll durch diese Veränderung der Gesetzesnorm auch im Schadensfall ein höherer Rechtsschutz für die Frau erhalten bleiben. Der durch die Frau verursachte Schaden muss jedoch auf jeden Fall wieder gut gemacht werden, und die entsprechende Schadensforderung verliert auch bei gewalttätigen Übergriffen nicht seine Gültigkeit, auch wenn der Schutz der Frau und ihrer Ehre und die Verhütung von Gewalt gegen Frauen eindeutig den Vorrang behält.

Handelte es sich bei den zuletzt diskutierten Beispielen um Fälle, bei denen der Schutz der Frauen vor Gewalt außerhalb des Sippenverbands gewährleistet werden soll, möchte ich im Folgenden kurz auf eine Bestimmung eingehen, welche die Frau vor schlechter Behandlung durch ihren Vormund schützen soll. Bereits in Rotharis Edikt wird festgelegt, dass derjenige, der eine seiner Munt unterstellte freie und verwitwete Frau misshandelt, die Muntgewalt über sie verliert (siehe Rothari 182). Bei Luitprand 120 wird diese Norm allgemein, ohne besonderen Bezug auf Witwen, zitiert („Contenit autem anterior edictus de fream suam, qui eam male tractauerit, ut amittat mundium ipsius“) und festgestellt, dass der Vorgänger versäumt hat, genau zu definieren, worunter die schlechte Behandlung einer freien Frau zu verstehen sei. Dies wird nun nachgeholt: als Misshandlung einer Schutzbefohlenen ist zu bewerten, wenn der Vormund sie dem Hungertod aussetzt oder nicht standesgemäß kleidet oder sie mit einem fremden Unfreien oder Alden verheiraten will oder aber wenn er sie grundlos schlägt, sie zu unehrenhaftem Tun verführt oder nötigt oder gar mit ihr Geschlechtsverkehr hat. Als Misshandlung wird ferner bewertet, wenn die Frau zur Heirat mit einem Mann gezwungen ist, den sie ablehnt. In all diesen Fällen verliert der Vormund die Muntgewalt über sein Mündel, außerdem muss er, wenn er die Frau ungerechtfertigt schlägt, verletzt oder Geschlechtsverkehr mit ihr hat, die vom Gesetz vorgesehene Kompensation leisten.

Dass der Gesetzgeber durchaus damit rechnete, dass ein Vormund seiner Pflicht aus niedrigen Beweggründen nicht nachkam, wird schon bei Rothari offensichtlich: im Kapitel 195 wird festgelegt, dass ein Vormund, der nicht Vater oder Bruder eines freien Mädchens oder einer freien Frau ist, die Munt über seine Schutzbefohlene verliert, wenn er ihr nachgewiesenermaßen nach dem Leben trachtet oder sie gegen ihren Willen verheiraten will oder seine Zustimmung dazu gibt oder gar dazu anstiftet, ihr Gewalt anzutun. Im Kapitel 196 wird die Norm ausgeweitet für den Fall, dass ein solcher Vormund seine Schutzbefohlene fälschlich des Verbrechens der Unzucht beschuldigt.

Da der Schutzgedanke wichtiger Bestandteil der Munt ist und der Vormund zur Rechtsvertretung und Wahrung der Rechte der Frau im öffentlichen und privaten Leben verpflichtet ist, muss das Mündel gegebenenfalls vom Gesetzgeber auch vor dem Vormund geschützt werden.

Regelverstöße von Frauen – Gewalt gegen Frauen

Im Folgenden möchte ich Fälle behandeln, in denen Frauen angeklagt sind, Gesetzesnormen mit Regelverstößen verletzt zu haben, deren Ahndung aufgrund der vorgesehenen Leibesstrafen Gewaltanwendung gegen Frauen zur Folge hat.

Interessant ist in diesem Zusammenhang das Kapitel 189 in Rotharis Gesetzbuch („De fornicatio causa“), wo festgelegt wird, dass, wenn ein freies Mädchen oder eine unverheiratete freie Frau ihre Einwilligung zum außerehelichen Geschlechtsverkehr mit einem (unverheirateten) freien Mann gibt, ihre Verwandten befugt sind, sie zu bestrafen. Zwar wird nicht ausgeführt, worin diese Strafe besteht, doch kann davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Leibesstrafe handelt, da eine Geldbuße nicht die Frau direkt, sondern ihren Vormund schädigen würde. Bemerkenswert ist, dass das öffentliche Interesse an einer Verhinderung von nicht durch die Ehe sanktioniertem Geschlechtsverkehr dadurch betont wird, dass die Bestrafung der Frau durch Bevollmächtigte des Königs nach Willen des Königs erfolgen kann, wenn die Verwandten der Frau keine Anstalten machen, diesen Regelverstoß zu bestrafen. Für den beteiligten Mann bestehen zwei Möglichkeiten der Ahndung seines Vergehens: wird eine Einigung erzielt, die zu einer Eheschließung der am Regelverstoß Beteiligten führt, leistet der Mann eine Geldbuße von 20 Schillingen für das Vergehen der anagrift („Antastung“, d.h. das Betasten einer Frau, die auf den Geschlechtsakt zielt)11; wird keine Einigung zwecks Eheschließung erzielt, muss der Mann ein Bußgeld von 100 Schillingen zahlen, das zur Hälfte an den König und zur Hälfte an den Vormund der Frau geht.

Besonders hart erscheinen die Strafen, die die langobardischen Gesetze für Ehebrecherinnen und Gattenmörderinnen vorsehen.

Nach Rothari 202 etwa kann ein Ehemann mit einer Frau, die ihm nach dem Leben trachtet, tun, was er will und frei über ihr Vermögen verfügen, es sei denn, die Frau leugnet und ihre Verwandten können sie von dem Verdacht durch einen assertorischen Eid oder durch ein Gottesurteil mittels Kampf reinigen. Wenn der Mann die Frau nach Gutdünken bestrafen durfte, konnte die entsprechende Bestrafung wie bei Ehebruch auch Verstümmelung oder Tötung einschließen.

Gelingt der Gattenmörderin der Anschlag auf den Ehemann, büßt sie für die Tat mit dem Leben und ihr Vermögen geht an die [gemeinsamen] Söhne oder, wenn sie keine Söhne hat, an die Verwandten des getöteten Mannes:

Rothari 203:

Si mulier maritum suum occiderit, ipsa uccidatur, et res eius, si filii non fuerint, parentes mariti habeant potestatem.

In diesem Fall ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern zu Ungunsten der Frau eindeutig. Während die Gattenmörderin in jedem Fall ihre Tat mit dem Leben büßt, kommt der Gattinnenmörder mit der Zahlung eines – wenn auch hohen – Bußgelds davon (vgl. Rothari Kapitel 200).

Kein Unterschied zwischen den Geschlechtern wird hingegen bei ertappten Ehebrechern gemacht: Wenn ein freier Mann oder ein Unfreier eine fremde Ehefrau entführt und sich mit ihr verbindet, büßen beide mit dem Leben, wenn erwiesen ist, dass die Frau mit der Entführung einverstanden war (siehe Rothari 211). Und wenn ein Mann einen anderen beim Geschlechtsverkehr mit seiner Frau in flagranti ertappt, so darf er beide, also auch den Mann, in Ausübung von Selbstjustiz töten, ohne dass er für diese Tötung belangt werden kann (siehe Rothari 212). Bemerkenswert ist, dass der außereheliche, nicht durch Vergewaltigung erzwungene Sexualakt einer Ehefrau immer den Tatbestand des Ehebruchs erfüllte, während dasselbe Handeln des Ehemanns nicht automatisch als strafwürdig galt: so konnte ein in einer Muntehe lebender Mann weitere Verbindungen, etwa in Form von sogenannten Friedelehen oder Kebsehen, eingehen, ohne von der Ehefrau oder ihren Verwandten des Ehebruchs angeklagt werden zu können.12 Ein Mann galt als Ehebrecher also nur dann, wenn er sich mit der Ehefrau eines anderen Mannes verband.

Ein Mann, der angeklagt ist, mit der Ehefrau eines anderen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, kann sich allerdings, wenn er nicht bei der Tat selbst überrascht wurde, in einem Beweisverfahren durch Eid oder Gottesurteil reinigen. Wird in diesem Beweisverfahren seine Schuld bewiesen, büßt er wie vorgesehen mit dem Leben (siehe Rothari 213).

Die Normen zum Umgang mit Ehebrecherinnen sind insofern interessant, als sich im Lauf der geschichtlichen Entwicklung das Bemühen der langobardischen Gesetzgeber abzeichnet, Frauen einen erhöhten Schutz zu garantieren und vor Übergriffen von Männern im Sippenverband zu schützen.

So toleriert im Fall eines von der Frau verübten Ehebruchs noch Rotharis Edikt Übergriffe des Ehemanns im Rahmen der Selbstjustiz in Haus und Hof. Wie bereits oben erwähnt wurde, hat der Ehemann zu Rotharis Zeiten das Recht, die beiden in flagranti ertappten Ehebrecher zu töten und kann dafür nicht belangt werden:

Edictum Rothari 212:

Si quis cum uxorem suam alium fonicantem inuenerit. Si quis cum uxorem suam alium fonicantem inuenerit, liberum aut seruum, potestatem habeat eos ambos occidendi; et si eos occiderit, non requirantur.

In Luitprands Gesetzgebung hingegen wird dem Ehemann ausdrücklich das Recht abgesprochen, seine beim Ehebruch ertappte Frau zu töten. Ist der Ehebruch und das Einverständnis der Frau dazu eindeutig erwiesen, kann er sie zwar bestrafen, entweder durch Züchtigung oder durch Verkauf in die Unfreiheit, aber es ist ihm ausdrücklich verboten, sie zu töten oder zu verstümmeln:

Luitprand 121:

[…] Si uero ipsa mulier in hac inlecita causam consentiens fuerit, potestatem habeat maritus eius, in eam uindicta dare, sibi in disciplina, sibi in uindicionem, ubi uoluerit; uerumtamen non occidatur, nec ei sematio corporis fiat. […]

Solche Übergriffe wie die Tötung oder Verstümmelung einer Ehebrecherin durch den Mann werden in Luitprands Gesetzgebung ausdrücklich untersagt. Auch bei erwiesenem Ehebruch soll also die Unversehrtheit von Leib und Leben der Frau gewährleistet sein13, was eine eindeutige Verbesserung der rechtlichen Stellung der Frau zu Luitprands Regierungszeit bedeutet.14

Gleichzeitig unterbindet Luitprand mittels bestimmter Vorschriften zum Beweisverfahren Affekthandlungen des betrogenen oder sich betrogen glaubenden Ehemannes:

Der Ehebruch muss nämlich bewiesen sein ([…] et provatum fuerit […], Luitprand 121); wenn die Sache nicht bewiesen ist, vielmehr jemand nur auf Verdacht Klage erhebt, kann der Kläger den des Ehebruchs verdächtigen Mann zum Zweikampf oder zum Eid auffordern und muss den Ausgang der entsprechenden Rechtshandlungen abwarten und akzeptieren, darf aber keinesfalls zur Selbstjustiz greifen.15

Zieht man hier die Novellierung des Rechts durch Luitprands Vorgänger Grimoald hinzu, kann man in diesem formalisierten Beweisverfahren auch noch einen anderen Grund sehen, der über die Vermeidung einer Affekthandlung und die Garantie der Unversehrtheit von Leib und Leben der Frau noch hinausgeht. Ich beziehe mich hier auf Grimoalds Dispositionen, die die ungerechtfertigte Anklage der Ehefrau durch den Mann betrifft:

Grimoald 7:

De crimen uxoris. Si quis uxorem suam incriminauerit asto sine causa legitima, quasi adulterassit aut in animam mariti sui tractassit, liceat illi mulieri per sacrmentum parentum aut per pugnam se mundare. Et si purificata fuerit, tunc maritus eius praebeat sacramentum com parentibus suis legitimis, sibi duodecimus, quia non asto animo nec dolose ei crimen iniecit, ut eam deberet dimittere, nisi per certam suspectionem auditum habuisset haec uerba; et si haec fecerit, sit exolutus a culpa. Et si non fuerit ausus iurare, conponat uirgild ipsius mulieris, tamquam si fratrem eius occidisset, medietatem regi et medietatem parentibus mulieris.

Klagt ein Mann seine Ehefrau ungerechtfertigt an, sie habe die Ehe gebrochen oder dem Mann nach dem Leben getrachtet, darf die Frau ihre Unschuld durch einen Reinigungseid durch Angehörige ihrer Sippe oder durch einen gerichtlichen Zweikampf beweisen.16 Hat sie sich auf diese Weise von dem Vorwurf gereinigt, kann der Ankläger mit zwölf seiner Sippe angehörenden Eideshelfern schwören, dass er die Frau weder voreilig noch böswillig beschuldigt habe, um sie verstoßen zu können, sondern auf einen ganz bestimmten Verdacht hin. Unterzieht er sich erfolgreich der vorgesehenen Prozedur des Reinigungseides, gilt er als unschuldig. Wagt er es hingegen nicht zu schwören, hat er sich der falschen absichtlichen Beschuldigung schuldig gemacht und muss eine Buße zahlen, deren Höhe so anzusetzen ist, als ob er den Bruder der Frau getötet hätte – diese Buße geht zur Hälfte an die Verwandten der Frau und zur Hälfte an den König.

Ganz offensichtlich geht es hier und vielleicht auch bei Luitprand nicht zuletzt darum, Frauen von Seiten des Gesetzgebers davor zu schützen, ungerechtfertigt angeklagt zu werden, um sich ihrer leicht und vor allem ohne materiellen Schaden entledigen zu können (so auch KRAH 2002: 39).Denn wenn eine Ehefrau vom Ehemann ohne einen rechtmäßigen Grund verstoßen wird, muss der Mann der sechsten Novelle König Grimoalds gemäß nicht nur 500 Schillinge Buße zahlen, die zur Hälfte an den König und zur Hälfte an die Verwandten der Frau geht, sondern er verliert auch die Munt über die Frau und somit das Recht, ihren Besitz zu verwalten. Die Frau kann aufgrund dieses neuen Gesetzes im Fall einer unrechtmäßigen Verstoßung nämlich frei entscheiden, ob sie zu ihrem Mann zurück möchte oder lieber mit ihrem Besitz zu ihren Verwandten zurückkehrt, wobei die Munt an die Familie der Frau zurückfällt:

Grimoald 6:

De uxoribus dimittendis. Si quis uxorem suam absque culpam legitimam posposuerit, et alia in domo superinduxerit, conponat solidos quingentos, medietatem regi et medietatem parentibus mulieris; mundio uero eius mulieris quam postposuit, amittat; et si noluerit ad maritum suum reuerti, reuertatur ad parentes suos cum rebus suis et mundium.

Wie gezeigt werden konnte, wird also schon durch die Gesetzesnovellen Grimoalds die rechtliche Stellung der Frau verbessert; diese Tendenz zu einer Besserstellung der Frau wird später bei Luitprand noch deutlicher erkennbar.

Zuletzt möchte ich noch an einem Beispiel solche Fälle diskutieren, bei denen Frauen angeklagt sind, Gesetzesnormen mit Regelverstößen verletzt zu haben und durch ihr Fehlverhalten das Recht auf Ahndung einer gegen sie gerichteten Gewalttat oder eines Angriffs auf ihre Ehre verwirken.

Es handelt sich um die in Rotharis Edikt Kapitel 257 festgesetzte Norm, dass eine freie Frau, die beim Diebstahl gefasst wird, nicht nur die übliche Bußzahlung des neunfachen Werts des Diebesguts zu leisten hat, sondern zudem keinen Anspruch auf Kompensation hat, wenn sie dabei angegriffen, verletzt und/oder beleidigt wird, da sie laut Gesetzgeber selbst die Schuld an dem Übergriff trägt, zu dem es ohne ihr Fehlverhalten nicht gekommen wäre.

Regelverstöße von Frauen – Gewalt gegen Männer

Zum Abschluss möchte ich kurz auf die Rechtssituation von Frauen eingehen, die Gewalt gegen Männer ausüben.

Zur Regierungszeit Rotharis wird noch davon ausgegangen, dass Frauen nicht in der Lage sind, Gewalt auszuüben, und deshalb auch nicht des sogenannten Hoffriedensbruchs bezichtigt werden können, wie in Kapitel 278 seines Edikts ausdrücklich betont wird:

Edictum Rothari 278:

De hoberos, id est curtis ruptura. Mulier curtis rupturam facere non potest, quod est hoberos; absurdum uidetur esse, ut mulier libera, aut ancilla, quasi uir cum armis uim facere possit.

Während der Gesetzgeber unter Rotharis Herrschaft die Vorstellung absurd findet, dass eine Frau wie ein Mann bewaffnete Gewalt verüben könnte, so sieht sich Luitprand durch tatsächliche Ereignisse dazu gezwungen, bewaffnete Gewalt von Frauen gegen Männer zu sanktionieren. Es handelt sich um den in Kapitel 141 von Luitprands Gesetzen beschriebenen Fall, bei denen Frauen von Männern dazu instrumentalisiert werden, bewaffnete Gewalttaten zu verüben, die bei männlichen Tätern nach bestehender traditioneller Rechtslage (vgl. Rothari 19) streng geahndet würden.

Es wird zunächst der reale Fall in allen Details beschrieben, geradezu als ob das Unvorstellbare und Außerordentliche der berichteten Vorkommnisse nur durch eine genaue Beschreibung glaubhaft würde, wobei betont wird, dass diese zur Gewalt angestachelten Frauen noch grausamer als bei Männern üblich vorgegangen seien. Daraufhin wird von Luitprand verfügt, dass für Frauen, die bei solchen Gelegenheiten verletzt, in ihrer Ehre gekränkt oder getötet werden, keine Kompensationszahlungen vorgesehen sind, da die angegriffenen Männer in Notwehr handelten. Zudem sollen solche Missetäterinnen von der örtlichen Obrigkeit festgenommen und zur Abschreckung vor Nachahmung geschoren und ausgepeitscht werden. Solche Frauen müssen also mit schweren Leibesstrafen und Ehrverlust rechnen; nicht nur das öffentliche Auspeitschen, sondern auch die decalvatio, das schimpfliche Scheren oder Ausreißen der Haare, galt als äußerst abschreckende Strafe.17 Die Tatsache, dass letzthin die Männer, welche ihre Frauen zu den Gewalttaten angestachelt haben, die Verantwortung tragen, wird durch die abschließende Bestimmung deutlich, dass diejenigen, die durch Gewalttaten solcher Frauen Verletzungen erleiden, von den Männern dieser Frauen nach der üblichen Gliedertaxe kompensiert werden sollen.

Bemerkenswert ist, dass selbst in diesem Sonderfall die verantwortlichen Männer mit der Zahlung von Bußgeldern davonkommen, während die schuldigen Frauen durch Leibesstrafen körperliche Gewalt erleiden. Bei den schuldigen Männern wird das Kompositionenprinzip angewendet, an den Frauen wird eine sogenannte Schandstrafe vollzogen.18

Luitprand grenzt diesen Fall, in dem gewalttätige Frauen als Gruppe auftreten, im gleichen Kapitel von dem Fall ab, in dem einzelne Frauen sich in eine handgreifliche Auseinandersetzung zwischen Männern einmischen und verweist dabei auf die Gesetzgebung seines Vorgängers (Rothari 378), die er ausdrücklich bekräftigt wissen möchte.

Ergebnisse

Zusammenfassend kann man bemerken, dass man einerseits auf der Basis des Fürsorgegedankens im Rahmen des Rechtsinstituts der Munt und der Festsetzung hoher Sonderbußen im Falle von als iniuriae betrachteten Übergriffen auf Frauen im langobardischen Recht eine ausgeprägte Individualschutzgesetzgebung für Frauen herausarbeiten kann, die darauf zielt, ihre mangelnde Wehrfähigkeit durch rechtliche Privilegierung auszugleichen. Bemerkenswert ist, dass die Gesetzgebung bei der Neuordnung des Beweisverfahrens für Ehebruch besonders den Schutz der Ehefrauen in den Blick nahm. Wie gezeigt werden konnte, ging es des Öfteren auch darum, Frauen vor Übervorteilung durch ihre Ehemänner oder männlichen Verwandten zu schützen, falls diese die Geschlechtsvormundschaft als Möglichkeit der materiellen Vorteilssicherung missverstanden. Auf der Quellengrundlage der uns überlieferten langobardischen Rechtstexte konnte anhand einiger ausgewählter Bestimmungen aufgezeigt werden, dass bestimmte Normen auf eine zumindest vom Gesetzgeber in der Theorie gewollte Besserstellung der langobardischen Frauen in einer sich wandelnden Gesellschaft zielten.

Andererseits ist deutlich geworden, dass bei gleichen Vergehen die Ahndung von schweren Regelverstößen wie Unzucht, Ehebruch und Mord bei weiblichen Täterinnen immer mit Gewaltanwendung, sei es durch Leibesstrafen, sei es durch Tötung, erfolgte, während eines solchen Vergehens schuldige freie Männer im allgemeinen mit Kompensationszahlungen wegkamen. Nur bei Ehebruch mit der Ehefrau eines anderen riskierte der Ehebrecher die Todesstrafe.

Selbst wenn freie Frauen in der langobardischen Gesellschaft in manchen Fällen bestimmte Privilegien aufgrund der Differenz zwischen den Geschlechtern genossen, wie besonders im Fall des Delikts der sogenannten "Wegwehr" deutlich geworden ist, und sich im Lauf der Geschichte eine gewisse rechtliche Besserstellung der langobardischen freien Frau abzeichnet, so überwiegen doch deutlich die Benachteiligungen, denen Frauen, sei es als Täterinnen, sei es als von männlichen Tätern Geschädigte, aufgrund der langobardischen Gesetze ausgesetzt waren.

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Note

↑ 1 Vgl. auch BLUHME 1873: 375–400; CORTESE 1955/1956: 323–474.

↑ 2 Nachweis der Belege bei van der Rhee 1970: 105-107.

↑ 3 Nachweis der Belege bei van der Rhee 1970: 107 f.

↑ 4 Nachweis der Belege bei van der Rhee 1970: 105.

↑ 5 Die langobardischen Gesetze werden hier und im Folgenden zitiert nach der Ausgabe BLUHME 1869. Eine Ausgabe mit Übersetzung ins Deutsche: BEYERLE 1947; eine neuere Ausgabe mit Übersetzung ins Italienische: AZZARA, GASPARRI 2005.

↑ 6 Vgl. LA ROCCA 1999: 42 f. Zu möglichen Diskrepanzen zwischen dem Rechtstext dieser Bestimmung und der Rechtswirklichkeit siehe POHL-RESL 1993.

↑ 7 Vgl. v.a. OGRIS 1984, KETSCH 1982: 14-16; KETSCH 1984; SCHMIDT-WIEGAND 1990: 202-206.

↑ 8 Zum Vergleich: das volle Wergeld einer langobardischen freien Frau, das bei ihrer mutwilligen Tötung fällig wird, beträgt laut Kapitel 201 von Rotharis Edikt 1200 Schillinge.

↑ 9 Diese Möglichkeit, den Rechtsfrieden zwischen den beteiligten Familien durch eine Muntehe wiederherzustellen, ist eine Besonderheit der langobardischen Gesetzgebung, die in anderen germanischen Volksrechten nicht vorgesehen ist, vgl. GUERRA MEDICI 1986: 131.

↑ 10 Darauf weist u.a. NEHLSEN 1972: 370, hin.

↑ 11 Vgl. VAN DER RHEE 1972: 29 mit verschiedenen Angaben und Verweisen.

↑ 12 Diese unterschiedliche Beurteilung von Beziehungen von Mann und Frau außerhalb einer Muntehe findet sich generell in den germanischen Volksrechten, vgl. KOTTJE 1990: 217 f.

↑ 13 Darauf, dass Luitprand mit diesem Verbot grundsätzlich die Unversehrtheit von Leib und Leben der Frau garantieren möchte, weist schon KRAH 2002: 39 hin.

↑ 14 In diesem Sinn ist die durch Luitprand reformierte langobardische Rechtsprechung frauenfreundlicher als aus dem europäischen Spätmittelalter belegte Fälle in der Rechtswirklichkeit, vgl. WILLOWEIT 2009: 19 (mit weiteren Hinweisen).

↑ 15 Nicht vergleichbar ist der in Rothari 196 geschilderte Sachverhalt. Hier geht es trotz der Überschrift De crimen adulterii nicht um Ehebruch im engeren Sinn, sondern allgemein um verbotenen Geschlechtsverkehr. Hier wird festgelegt, dass der Vormund – ausgenommen werden ausdrücklich Vater oder Bruder – eines freien Mädchens oder einer freien Frau, der seine Schutzbefohlene ungerechtfertigt der Unzucht bezichtigt, die Munt über sie verliert und die Frau die Wahl hat, sich unter den Schutz des Königshofs oder ihrer – übrigen – Verwandten zu stellen. Leugnet der Vormund, der Frau dieses Verbrechen nachgesagt zu haben, darf er sich, wenn er kann, durch Eid reinigen und behält die Munt über die Frau.

↑ 16 An dieser Bestimmung wird deutlich, dass die langobardische Frau vor Gericht nicht automatisch von ihrem Vormund vertreten wird. Ist der Ehemann, wie üblich, der Vormund der Frau, würde es im Fall einer Anklage wegen Ehebruchs zu einem Interessenkonflikt kommen, wenn der Mann die Rechtsvertretung der angeklagten Frau übernehmen würde. In einem solchen Fall erfolgt die Rechtsvertretung der Frau durch einen männlichen Blutsverwandten. Zur Position der Frau im langobardischen Prozesswesen siehe auch GUERRA MEDICI 1987.

↑ 17 Zur Strafe des Haarscherens siehe Schmidt-Wiegand 1971.

↑ 18 Vgl. zum Fall die Einschätzung in DILCHER 2008a: 348.

 

Dipartimento di Lingue e Culture Moderne - Università di Genova
Open Access Journal - ISSN 1824-7482